Frauenpower in der Unternehmensberatung
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Die Unternehmensberatung McKinsey will mehr Beraterinnen gewinnen. Unternehmen wollen nicht länger auf die Hälfte des Potenzials verzichten.
Von: Evi Glauser, Kirsten Best
Headhunter und Personalberaterinnen sind sich einig: Die Chancen für Frauen mit einer ausgezeichneten Ausbildung waren auf dem Arbeitsmarkt selten so gut. Auch bemühen sich Unternehmen immer mehr, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit erwerbstätige Frauen Kind und Karriere in Einklang bringen und ihre Karriere individuell gestalten können.
Viele Unternehmen werben gezielt um Hochschulabsolventinnen und versuchen, mit speziellen Frauenprogrammen Talente für sich zu gewinnen. So bietet McKinsey Recruiting-Events an, die sich nur an Akademikerinnen richten, „denn es gibt immer noch zu viele hoch qualifi zierte Frauen, die den Weg in die Beratung nicht fi nden, sich aber sehr gut als Beraterinnen eignen würden und auch Freude an ihrem Job hätten“, meint Sabine Keller-Busse, Partnerin bei McKinsey Schweiz und zuständig fürs Recruiting. „Neben analytischen Fähigkeiten bringen Frauen vielfach andere Sichtweisen und Kommunikationsstile in die Projektarbeit ein, was sowohl von den Klienten als auch von den Teams sehr geschätzt wird.“
Ursula Rüegsegger und Nicole Brunhart stiegen unter völlig unterschiedlichen Vorzeichen in die Unternehmensberatung ein: Ursula Rüegsegger studierte Biochemie an der ETH Zürich, doktorierte an der Uni Basel und war Postdoc-Researcher an der University of California in San Francisco. Dort wurde sie vom Schweizer Büro von McKinsey zu einem Recruiting-Event eingeladen, den sie aus reiner Neugierde besuchte, denn sie hatte nicht im Sinn, ihre Forschungstätigkeit aufzugeben. Doch das breit gefächerte Angebot an Projekten sowie die Möglichkeit, ihr naturwissenschaftliches Wissen in die Beratung einzubringen und sich rasch weterzuentwickeln, begeisterten sie – so ist sie nun „per Zufall“ seit sechs Jahren bei McKinsey.
Ganz anders Nicole Brunhart – sie kam bereits während ihrer Studienzeit an der Hochschule St. Gallen mit McKinsey in Berührung, konnte sich jedoch nicht vorstellen, sich je als Beraterin etablieren zu können. Doch als ihr nach Auslandssemestern in Berkeley und Paris sowie Internships bei JP Morgan und einer Non-Profit-Organisation von McKinsey eine Praktikumsstelle angeboten wurde, sagte sie ohne Zögern zu und bereut diese Entscheidung bis heute nicht. „Ich war begeistert von den interessanten Fragestellungen und Projekten, der Internationalität der Arbeit und den gemeinsamen Problemlösungsprozessen, in denen alle Teammitglieder ihren Input geben können. Was mich aber am meisten beeindruckte, waren die Aufgeschlossenheit der Leute, ihre vielfältigen akademischen Hintergründe und die damit verbundene tolle Team-Erfahrung.“
Was Ursula Rüegsegger als Mutter von Zwillingen an McKinsey besonders schätzt, ist die Flexibilität gegenüber individuellen Lösungen, die sich aufgrund der projektbasierten Arbeit ergibt und es Frauen erlaubt, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. „Ich zum Beispiel habe mich entschieden, 60% zu arbeiten, das bedeutet, dass ich drei Tage auf einem Projekt bin und für den Rest der Woche für meine Familie da sein kann. Andere Frauen haben sich entschlossen, 100% zu arbeiten, dafür mehr Ferien zu beziehen, was bei schulpflichtigen Kindern eine ausgezeichnete Lösung ist.“
Auch Sabine Keller-Busse, selbst Mutter von zwei kleinen Kindern, findet die Beratung für Frauen ideal, „denn die Projektarbeit ermöglicht eine grosse Flexibilität, da sie die Karriere selbst gestalten und das Tempo bestimmen können. Aufgrund des Projektcharakters unserer Arbeit kann ich trotz Teilzeit an denselben anspruchsvollen und spannenden Themen arbeiten wie meine Vollzeit-Kollegen und meine Karriere weiterentwickeln. Zudem lässt die Beratung viele Möglichkeiten offen: „Man kann in unterschiedlichsten Industrien arbeiten und sich dann in einem Gebiet, das einem besonders zusagt, spezialisieren.“ Es ist gerade auch diese Flexibilität, die Nicole Brunhart an McKinsey besonders schätzt. Nach dem Studium wollte sie in der Beratung arbeiten, um an ihre Praktikumserfahrung anzuknüpfen und eine andere Perspektive des Erlernten zu erhalten. Da sie dabei von Anfang an auf Studien im Bereich der Finanzindustrie arbeiten konnte, war es ihr möglich, sich in den von ihr bevorzugten Bereichen Asset Management und Private Banking zu vertiefen. Als sich später der Wunsch nach einer Rückkehr in die Forschung intensivierte, konnte Nicole einen Bildungsurlaub machen, in dem sie stark vom Entgegenkommen von McKinsey profitieren konnte: „Einerseits war es mir möglich, dank Teilzeit-Mitarbeit auf Projekten Wissen auf- und auszubauen sowie Kontakte mit Leuten aus der Industrie und innerhalb von McKinsey zu pflegen und so, am Ball zu bleiben’. Andererseits konnte ich mich durch die teilweise Freistellung in ein spezielles Wissensgebiet vertiefen und somit meine Doktorarbeit schreiben.“
Dass der Frauenanteil bei Unternehmensberatungen immer noch niedrig ist, müsste nicht sein. Sabine Keller-Busse meint: „Zwischen Hochschule und Arbeitsleben gehen immer noch viele Frauen ‚verloren’. Während in vielen Studienrichtungen der Anteil der Frauen bei rund 50% liegt, steigen nicht wenige hoch qualifizierte Frauen in der Phase der Familiengründung aus. Da liegen Talente brach, die wir dringend benötigen. Deshalb organisieren wir Workshops und andere Events, die sich nur an Frauen richten. Denn wir haben erkannt, dass Frauen im Hinblick auf ihre Karrieremöglichkeiten an anderen Fragestellungen interessiert sind als Männer und über andere Themen – wie z.B. Work-Life-Balance und Flexibilität – diskutieren. Auf diese Weise möchten wir vermehrt Frauen ansprechen und sie ermutigen, in die Unternehmensberatung einzusteigen.“
Der Artikel erschien im 'SCROGGIN-career' Ausgabe Nummer 1 - 2007, Link zu anderen Stories |
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