Zwischen Reeperbahn und Matterhorn
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Musik tönt aus den kleinen Kneipen am Hans-Albers-Platz auf der Hamburger Reeperbahn. Menschenmassen tummeln sich vor den Clubeingängen oder spazieren herum, um sich einen Eindruck von Norddeutschlands Amüsiermeile im Rotlichtmilieu zu verschaffen.
Von: Hanni Heinrich
«Bei uns an der Aare ist das Nachtleben anders als hier in Hamburg an der Alster», meint Katrin aus Bern. «Auf der Reeperbahn geht es manchmal ganz schön ruppig zu, aber dafür gibt es auch viele kulturelle Veranstaltungen in den kleinen Theatern am Spielbudenplatz.» In Bern sei das Nachtleben keineswegs langweilig, aber viel familiärer und überschaubarer. Katrin trägt den Titel «Master of Art» und hat vor zwei Jahren in Hamburg ein Master- Studium absolviert. «Die Reeperbahn ist faszinierend, aber krass zugleich.» Kleine Restaurants, Theater, Clubs und Bars befinden sich auf der Hamburger Reeperbahn zwischen bizarren Erotikshops und anderen freizügigen Einrichtungen.
Die Schweizerin lebt nun seit fast vier Jahren in Norddeutschland und fühlt sich mittlerweile sehr wohl. «Ich habe in Hamburg meinen Master in Marketing gemacht », erzählt sie beim Schlendern über die Reeperbahn. Die zierliche Schweizerin wirkt auf den ersten Blick ganz hanseatisch: ein wenig distanziert und beim Schaufensterbummel auf der Reeperbahn fast schon gelangweilt – bei all den kuriosen Artikeln auf der «sündigen» Meile.
Auf den zweiten Blick bemerkt man aber doch, dass sie eine völlig andere Mentalität als die meisten Hamburger besitzt: «Als ich für mein Master-Studium nach Hamburg gezogen bin, fand ich es erst einmal sehr anstrengend, hier Anschluss zu finden», erklärt sie. Die Menschen seien distanziert gewesen, anders als in Bern. Und im Vergleich zur Schweizer Hauptstadt ist die hanseatische Hafenstadt riesengross.
Geringe Studiengebühren
Katrin wollte im deutschsprachigen Ausland studieren, weil sie wusste, dass die Studiengebühren in Deutschland geringer sind als in der Schweiz – die Liebe erleichterte ihr letztendlich die Entscheidung. So hat Katrin gleich zwei Annehmlichkeiten miteinander verbunden: Sie wanderte von Bern nach Hamburg aus, um zu studieren und um bei ihrem Freund zu sein. Ausserdem nutzte sie sofort die Chance, um in einem grossen internationalen Unternehmen in Hamburg ein Praktikum zu machen – und zwar mit Erfolg.
Anders als Katrin es von Bern aus gewohnt war, studierte sie nun an fünf verschiedenen Standorten an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg, denn die Universitätsgebäude sind über ganz Hamburg verteilt. Der dreisemestrige Master-Studiengang schloss sich konsekutiv an ihre bereits erworbenen wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse und Qualifikationen im Bereich Betriebswirtschaft an. Neben Marketing für Dienstleistungsunternehmen lernte sie auch die Vermittlung von Führungs- und Managementkompetenzen.
Für Hamburg als Welthandelsstadt waren und sind internationale Beziehungen der HAW von grosser Bedeutung. Die Hochschule reflektiert diese weltoffene Einstellung: Von ihren über 12’000 Studierenden kommen etwa 1’600 aus dem Ausland und repräsentieren über 100 Nationen aus allen Erdteilen.
Kulturschock trotz deutscher Sprache
«Die erste Woche hat mir besonders gut gefallen», erinnert sich Katrin. «Ich habe die Orientierungswoche genutzt, um neue Leute kennenzulernen. Die meisten waren offen und sehr freundlich.» An der HAW machte Katrin keine negativen Erfahrungen mit dem Mentalitätsunterschied zwischen der Schweiz und Deutschland. Deutsche seien in ihrer Art sehr direkt, woran sich die Schweizerin erst gewöhnen musste, aber inzwischen weiss sie, wie man mit den Hanseaten umgehen muss. In den Vorlesungen war sie anfangs ein wenig eingeschüchtert, weil die forsche Art einiger Professoren beinahe militärisch und emotionslos wirkte. «Dafür weiss ich hier immer, woran ich bei den Leuten bin», sagt sie. «Direktheit hat auch eine positive Seite.»
Inzwischen ist die Reeperbahn noch voller geworden. Einheimische und Besucher laufen zwischen den bunten Lichtern herum, blicken in die Schaufenster oder gehen in die Kneipen. Katrin steuert in Richtung Hafen, der sich in unmittelbarer Nähe zur Reeperbahn befindet. «Hier kann ich mich etwas von dem Trubel erholen. Die funkelnden Lichter, die sich von den Schiffen im Wasser spiegeln, beruhigen.»
Katrin vermisst die Schweiz, die Berge, das Matterhorn. Die Schulferien verbrachte sie früher häufig in Zermatt. Wandern, Skifahren oder einfach nur mit Freunden die Natur geniessen stand auf der Tagesordnung. An der Hamburger Hafenpromenade wirkt Katrin für einen Moment nachdenklich: «Obwohl ich sprachlich gesehen in Hamburg keine Probleme im Studium hatte, hatte ich doch einen kleinen Kulturschock. Das Leben und die Kultur hier sind doch sehr anders als in Bern und in der Schweiz allgemein.»
Anonymität an Hamburger Unis
Wie die Stadt, so ist auch das Hochschulsystem ganz anders: grösser und hektischer als in Bern. Die HAW bietet zahlreiche Möglichkeiten und Zusatzkurse. Doch das Lernen für die Prüfungen bleibt gleich. «Es ist nur anonymer hier. Du kannst froh sein, wenn der Professor dein Gesicht erkennt.» Hamburgs Gegensätze und das Zurechtfinden an der riesigen HAW haben Katrin geprägt: «In der U Bahn sitzen Manager und Bauarbeiter nebeneinander, stossen am Freitagabend schon mal mit einem Astra-Bier in der Bahn an. So etwas kannte ich aus Bern nicht.» Solche Erlebnisse prägen: «Hamburg hat mich auch auf das Leben ausserhalb der Universitätsmauern vorbereitet und selbstständiger gemacht», meint Katrin und lächelt einer Barkasse im Hafen zu.
Mit zehn Universitäten und zwei eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne ist die schweizerische Hochschullandschaft sehr überschaubar. «Allein in Hamburg, nur in einer Stadt Deutschlands, hat man beinahe mehr Auswahl und jede Menge Spezialisierungsmöglichkeiten», sagt Katrin, während sie die Hafenpromenade entlangläuft. «In der deutschsprachigen Schweiz kann man an den Universitäten Basel, Bern, Luzern, St. Gallen sowie Zürich studieren. »Weitere Unis in der Schweiz sind französisch- oder italienischsprachig.
Achtung vor Titelmühlen
«In der Schweiz sollte man sich vor sogenannten Titelmühlen in Acht nehmen», meint Katrin. Anders als in Deutschland ist der Begriff Universität in der Schweiz nämlich nicht geschützt. Daraus folgt, dass Institutionen wie beispielsweise die Freie Universität Teufen oder die Freie Universität Zug keine anerkannten Abschlüsse anbieten. Für Studenten, die für ihren Master-Abschluss teure Gebühren bezahlen, ist das natürlich sehr ärgerlich. Ähnlich wie in Deutschland hat die Universitätskommission in der Schweiz beschlossen, den akademischen Grad Lizentiat und verschiedene Diplome in Bachelor und Master umzuschreiben. Rechtlich sind sie gleichwertig, dürfen aber im Schriftverkehr nicht vermischt werden. Wer in der Schweiz einen Studiengang nach der alten Lizentiatsordnung absolvierte, darf sich heute auch MA oder Master of Arts nennen – das heisst, beide Titel führen. Jedoch dürfen nicht beide Titel, also lic. und MA/Master of Arts in demselben Dokument auftauchen.
Gegensätze ziehen an
Katrin vermisst die Schweiz, aber sie schätzt es sehr, in Hamburg ihren Master in Marketing absolviert zu haben. Nun lebt sie in der norddeutschen Stadt und arbeitet für ein grosses Verlagshaus. Sie besucht die Schweiz in regelmässigen Abständen, immer wieder von den Gegensätzen der beiden Länder und Städte – Hamburg und Bern – fasziniert. «Ich würde immer wieder in Hamburg studieren und dies auch allen empfehlen, die bereit sind, etwas anderes kennenzulernen. »Studieren an der Waterkant, an Deutschlands grösstem Hafen, ist dynamisch, multikulturell, auch mal schroff und im Sommer maritim. «Dass sich unser Nachbarland zum Studieren gut eignet, zeigt sich auch an dem Anteil ausländischer Studierender an der HAW und den anderen Hochschulen in Hamburg.»
Hochschullandschaft Deutschland
Gemäss der Hochschulrektorenkonferenz gibt es in Deutschland insgesamt 355 Hochschulen, die in 118 Universitäten, 182 Fachhochschulen und 55 Kunst- und Musikhochschulen unterteilt sind. Jährlich schliessen rund 290‘000 Absolventen ihr Studium ab, wovon rund zehn Prozent aus dem Ausland kommen. Einen Überblick über die verschiedenen Hochschulen und Lehrgänge erhälst du unter den folgenden Links: www.studieren.de/ www.hrk.de/
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